10 Fragen an Jochen Till

Uns alle verbinden gute Geschichten und die Leidenschaft, Kinder und Jugendliche für diese zu begeistern. Im Rahmen der Bücherkinder-Interview-Reihe möchte ich diese Menschen vorstellen.

© Niko Neuwirth

Wer sind Sie und wie sieht Ihre Arbeit mit Kinderbüchern aus?
Mein Name ist Jochen Till und ich schreibe seit nunmehr dreiundzwanzig Jahren hauptsächlich Kinder- und Jugendbücher.

Wie würden Sie sich aktuell in drei Hashtags (#) beschreiben?
#höllischglücklich #ichliebemeinenjob #läuft

Welches Buch liegt derzeit ganz oben auf Ihrem Nachttisch und warum?
Dort liegt gerade „I kill Giants“, eine preisgekrönte Graphic Novel von Joe Kelly und Ken Nimura. Als ehemaliger Comicfachverkäufer lese ich nach wie vor viele Comics, besonders gern natürlich derart herausragende Arbeiten, die selten sind. „I kill Giants“ ist die Geschichte eines Mädchens, das auf ihre sehr eigene Art mit dem nahenden Tod ihrer Mutter umgeht – eine absolute Leseempfehlung!

Wie beeinflusst Ihre Arbeit mit bzw. für Kinder und Jugendliche Ihre Sicht auf die heutige Gesellschaft und unsere Welt?
Da ich als Autor hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen zu tun habe, die gerne lesen, beeinflusst das meine Weltanschauung durchaus positiv, da es mir zeigt, dass es eben nicht nur desinteressierte Handyzocker unter ihnen gibt. Das macht gerade in Zeiten, in denen ein unbelesener Vollidiot im Weißen Haus regiert und die Stimmung hierzulande immer weiter nach rechts rückt, doch ein bisschen Hoffnung für die Zukunft.

Was ist die treibende Kraft, auch weiterhin was mit Kinderbüchern zu machen?
Dafür braucht es keine treibende Kraft, das ist bei mir schon allein eine Frage der wünschenswerten Erhaltung meines seelischen Gleichgewichts. Ich muss schreiben, sonst kriege ich schlechte Laune. Spätestens zwei Wochen nach Beendigung eines Buchs juckt es mich schon wieder in den Fingern, ich brauche das Schreiben und Geschichten spinnen einfach, sonst werde ich unleidlich.

Wie begeistern Sie potenzielle Nichtleser für das Buch?
Das funktioniert für mich am besten direkt am Leser, also bei Lesungen. Wir (ich habe immer einen Vorleser dabei) haben im Jahr über hundert Lesungen, da kann man den Spaß am Buch wunderbar transportieren, indem man ihn einfach vorlebt. Wir haben selbst jede Menge Spaß bei Lesungen, das merken die ZuhörerInnen natürlich. Außerdem setzen wir bei den ausgewählten Szenen stark auf Humor, das ist bei mir ganz wichtig. In meinen Büchern geht es immer witzig zu. Nicht ausschließlich, es steckt schon noch mehr drin, aber ich denke, wenn man Kinder zum Lesen bringen möchte, die dem Medium Buch eher skeptisch bis vehement ablehnend gegenüber stehen, funktioniert das im ersten Schritt am besten mit Humor. Wer lachend aus einer Lesung geht, greift danach eher mal zum Buch, als jemand, den man mit lauter literarischer Ernsthaftigkeit halb zu Tode gelangweilt hat – da ist dann das Handy im Nachgang doch wieder interessanter.

Was macht für Sie ein gutes Kinderbuch aus?
Hm, schwierige Frage. Ich kann auf jeden Fall sagen, was es nicht ausmacht. Lieblose 08/15-Illustrationen, zum Beispiel. Oder Einfallslosigkeit bei den Themen – das zigtausendste Fußball- oder Pferdebuch braucht nun wirklich kein Mensch mehr. Die Art von lustlos nebenbei runtergeschriebenen Auftragsarbeiten, die es leider zuhauf gibt. Sicher, alle Geschichten wurden grundsätzlich bereits tausendmal erzählt. Aber dann kann man ihnen doch wenigstens einen neuen Dreh geben, sie originell verpacken, mit Klischees spielen, anstatt sie totzureiten, das passiert viel zu oft.
Ein gutes Kinderbuch funktioniert für mich auch bei Erwachsenen, oder zumindest bei Erwachsenen, die sich das Kindsein ein Stück weit bewahren konnten. Ich setze mich nie hin und nehme mir vor, ein Buch für beispielsweise Zehnjährige zu schreiben. Ich schreibe ein Buch, das ich selbst gerne lesen würde, auch mit aktuell zweiundfünfzig noch. Wie sonst kann ich andere für meine Geschichten begeistern, wenn ich mich nicht selbst als Leser dafür begeistern kann?
Irgendwo habe ich vor nicht allzu langer Zeit ein Zitat gelesen, in dem es hieß, in einem guten Kinderbuch dürfte kein einziger Witz für Erwachsene stehen. Wieso denn nicht? Dürfen Erwachsene keinen Spaß mit und an Kinderbüchern haben? In meinen Büchern gibt es immer wieder auch Witze für Erwachsene, daran kann ich nichts verwerfliches finden. Das kann man auch so gestalten, dass die Kinder gar nicht merken, dass sie einen Witz nicht kapiert haben, für sie steht da einfach nur eine Information, die sie aufnehmen und dann einfach weiterlesen.
Im Umkehrschluss wäre meine Antwort auf diese Frage also: Ein gutes Kinderbuch braucht (wenn es denn welche beinhaltet) originelle Illustrationen, eine originell verpackte Geschichte und sollte auch für Erwachsene funktionieren – Harry Potter ist wohl eins der besten Beispiele dafür.

Wie hat sich Ihre Arbeit mit fortschreitender Digitalisierung verändert?
Meine Arbeit als Autor hat sich sehr verändert, würde ich sagen. Das fängt ganz simpel in der Praxis an. Mein erstes Buch habe ich 1995 noch teilweise handschriftlich und auf einer analogen Reiseschreibmaschine verfasst. Danach habe ich es in meinen allerersten Computer übertragen und es in einem Copyshop teuer vervielfältigen lassen, um es an Verlage zu schicken. Die Verlagsadressen musste ich mir mühsam in Buchhandlungen erbetteln, bevor ich es mit viel Porto versehen auf die Reise schicken konnte. Heute genügt ein Mausklick, um ein neues Manuskript zu versenden, man findet jede Verlagsadresse samt Ansprechpartner im Internet, das ist alles viel einfacher geworden. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit meinen Illustratoren. Dank Videotelefonie kann ich jederzeit problemlos mit ihnen gemeinsam an einem neuen Buch arbeiten, ohne in Wien, Berlin, Mainz oder sonst wo sein zu müssen. Außerdem ist der direkte Kontakt zu meinen LeserInnen viel einfacher und somit zahlreicher geworden. Und, nicht zu vergessen, die Recherche für was auch immer ist so viel einfacher geworden. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie schwierig es früher war, die profansten Fakten zu recherchieren. Heute reicht ein Mausklick und ich kriege in Sekundenschnelle die Informationen, die ich beim Schreiben gerade benötige. Die Digitalisierung erspart mir sehr, sehr viel Zeit, und gerade die ist beim Schreiben äußerst kostbar.

Welche sozialen Netzwerke nutzen Sie und warum?
Ich pflege aktuell einen Facebook- und einen Instagram-Account. Dabei geht es mir hauptsächlich um den Kontakt zu meinen LeserInnen. Einfacher als dort geht es nicht, wenn mich jemand kontaktieren/loben/beschimpfen will. Das gilt natürlich nicht nur für LeserInnen, dabei geht es auch um Buchhandlungen oder BloggerInnen, die den Kontakt zu mir suchen. Dieses soziale Netzwerken ist heutzutage sehr wichtig und beinahe unverzichtbar – ich mache das zum Glück sehr gerne, kann aber auch durchaus verstehen, wenn das jemand nicht möchte.

Mit welchem Kinderbuchmenschen sollten wir dieses Interview unbedingt mal führen?
Da ich selbst der größte Fan meiner Illustratoren bin, schlage ich an dieser Stelle meinen kongenialen Luzifer-Junior-Partner Raimund Frey vor.


Webseite von Jochen Till

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