Die Nacht und ihre Schrecken

Vier Bücher über Dunkelheit, Angst und noch mehr Mut

Saskia: Plötzlich wird es dunkel. Das so vertraute Kinderzimmer verwandelt sich in einen völlig anderen Ort. Der Schatten da, ist das etwa ein Monster? Oder nur der Teddy, der vorm Schrank liegen geblieben ist? Wir alle kennen die Angst vorm Dunkeln, vorm Unbekannten. Kein Wunder, dass sie in Bilderbüchern immer wieder eine Rolle spielt. Vier aktuelle Neuerscheinungen zum Thema habe ich mir genauer angeschaut: „Trau dich, kleiner Pinguin“ von Steve Snellman (Loewe), „Oh Schreck, der Tag ist weg!“ von Benas Bėrantas und Vilija Kvieskaitė (magellan), „Monster!“ von Stephan Pricken (Coppenrath) und „Ein Funkeln im Dunkeln“ von Marie Voigt (cbj).

Oh Schreck, der Tag ist weg!

Bilderbuch ab 3 Jahre
von Benas Bėrantas
illustriet von Vilija Kvieskaitė
übersetzt von Saskia Drude
Magellan 2020

Auf „Oh Schreck, der Tag ist weg!“ hatte ich mich riesig gefreut. Erstens ist Magellan ein Verlag, dessen Titel ich meistens liebe, zweitens hat mich das Cover mit dem dicken Eichhörnchen und dem kleinen Raben sehr angesprochen. In der Tat sind es vor allem die Illustrationen, die dieses Bilderbuch zu einem Lesevergnügen machen – mal im Comicstil, dann wieder großformatig, immer aber sind Eichhörnchen Ekki und sein bester Freund der Rabe Knips charmant und lustig anzusehen. Und als Freunde meistern sie eine besondere Herausforderung: Sie müssen nämlich den verlorenen Ball zurückholen. Und das mitten in der Nacht, im dunkeln Wald! Zum Glück treffen sie dabei den Uhu, der ihnen erklärt, dass Angst kleiner wird, wenn man sie teilt.

Es ist ein einfacher Plot und eine runde Geschichte, eingerahmt von kleinen Fragen im Vor- und Nachsatz, die die Kinder selbst zum Erzählen von und Nachdenken über ihre Ängste einladen. Aber ach, mir war es ein bisschen zu pädagogisch. Dass Ekki und Knips nicht selbst auf die Angst-Erkenntnis mit dem Teilen kommen, sondern sie vorgebetet bekommen, war mir ein wenig zu plump. 3 Sterne.

Trau dich, kleiner Pinguin!

Bilderbuch ab 4 Jahre
von Steve Smallman
übersetzt von Nadine Mannchen
Loewe 2020

Percy Pinguin ist ein echter Draufgänger. Er hat vor nichts Angst. Pippa hingegen – naja, sie hat vor ziemlich vielem Angst und ganz besonders vor der Dunkelheit. Doch dann kehrt Percy eines abends nicht zur Familie zurück. Während die anderen Pinguine sicher sind, dass es Percy gut geht, macht Pippa sich Sorgen und sucht Percy. Trotz all ihrer Angst wagt sie sich auf unbekanntes Terrain und findet Percy in einer dunklen Höhle, verletzt und allein. Gemeinsam mit Percy lernt Pippa, dass die Nacht auch ihre schöne Seiten haben kann und dass wir besonders mutig sind, wenn wir uns durchringen, unsere Angst zu überwinden.

„Trau dich, kleiner Pinguin“ ist eine gut erzählte, kompakte Geschichte, die aus meiner Sicht auch schon für Dreijährige funktionieren kann. Wer es klassisch und ein bisschen niedlich mag, ist hier sehr gut aufgehoben. Ein besonderer Clou: Am Ende des Textes warten Fragen auf uns, die das Gelesene Revue passieren lassen und mit unserem eigenen Leben verbinden („Wovor hast du Angst?“). 4 Sterne

Monster!

Bilderbuch ab 4 Jahre
von Stephan Pricken
Coppenrath 2020

Ist in den bisher rezensierten Bilderbüchern das gefährliche Dunkel jeweils außerhalb des eigenen Zuhauses, dringt das Unheimliche in „Monster!“ ganz unverblümt in Joschas Kinderzimmer ein. Denn als Joscha am Samstagmorgen um kurz vor sechs wach wird und ziemlich sicher ist, dass er seine Eltern nicht wecken darf, da tauchen in seinem Zimmer plötzlich die drei Schrankkrabbler (oder eben Monster) Herr Pong, Krack und Platsch auf.

Herrlich skurril illustriert erzählt Stephan Pricken hier, wie ein Kind mit Phantasie Grenzen auslotet und seiner Angst vor dem Allein-Sein in den frühen Morgenstunden begegnet – ein Schelm, wer denkt, Joscha wolle nur im Nachhinein das Chaos und die Unordnung erklären, die urplötzlich im ganzen Haus entstanden sind. „Monster!“ ist ein skurriles Abenteuer und erzählt davon, wie die Begegnung mit dem Fremden uns bereichern kann. 5 Sterne

Ein Funkeln im Dunkeln
Eine Geschichte über Mut und Vertrauen

Bilderbuch ab 4 Jahre
von Marie Voigt
cbj 2020

So wie „Monster!“ verbindet auch „Ein Funkeln im Dunkeln“ die Welt der Fantasie und der Realität, allerdings deutlicher markiert. Emma nämlich liebt das Dunkel und als sie ein Buch über Bo den Bären liest, der Angst vor der Dunkelheit hat, würde sie ihm gerne zurufen, dass das gar nicht nötig ist. – Und plötzlich ist Bo da! Die beiden begeben sich auf Entdeckungsreise. Emma folgt mit Urvertrauen einem Funkeln in die Dunkelheit hinein, bis in die Höhle ohne Namen. Bo folgt ihr. Erst zögernd, doch er wird belohnt. Und kann am Ende selbst aufatmen, als er plötzlich Emma helfen kann.

„Ein Funkeln im Dunkeln“ ist ein feinfühliges, wunderbar gestaltetes Buch. Der Zauber der Fantasie, die Schönheit des Moments, die Magie des Lichts – jede Doppelseite strahlt uns entgegen. Dunkelheit wird hier zu einer schützenden Höhle, einem Raum, in dem ganz neue Wunder möglich sind, wenn wir uns nur auf sie einlassen. Dass zudem Bo und Emma sich auf Augenhöhe begegnen, beide ihre Stärken und Schwächen haben und einander helfen, macht das Buch zu einem rundum gelungenen Vorlesevergnügen. 5 Sterne

Es gibt die unterschiedlichsten Wege mit der Angst vor der Dunkelheit umzugehen. Umarmen wir das Fremde? Teilen wir die Angst? Erkennen wir das Schöne im Schatten? So unterschiedlich, wie unser Umgang mit Furcht sein kann, sind es auch diese vier Bilderbücher. Ein Glück, dass so für jede*n etwas dabei ist!

Saskia Geisler aus der Bilderbuchredaktion

Saskia Geisler ist riesiger Kinder- und Jugendbuchfan. Wenn sie gerade nicht schmökert oder mit ihrem Hund unterwegs ist, schreibt sie ihre Doktorarbeit im Fach Geschichte. – Darum blogt sie unter lies-geschichte.de auch über historische Themen in Kinder- und Jugendbüchern. Seit Ende 2014 ist sie bei buecherkinder.de dabei.
Beiträge von Saskia

Beitragsfoto: Saskia Geisler
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