10 Fragen an Salah Naoura

Wer sind Sie und wie sieht Ihre Arbeit mit Kinderbüchern aus?

Ich heiße Salah Naoura, bin 57 Jahre alt und schreibe Romane, Gedichte
und Geschichten für Kinder. Außerdem übersetze ich auch Bücher für
Kinder aus anderen Sprachen. Meistens aus dem Englischen. Manchmal
auch Französisch oder Schwedisch.

Wie würden Sie sich aktuell in drei Hashtags (#) beschreiben?
#Was? #Wieso #Hashtags? Ich bin überhaupt nicht in sozialen Netzwerken
und beschreibe mich und auch sonst nichts in Hashtags …
Wenn es auch ganz profane Stichpunkte sein dürfen: traurig, hilflos, ungläubig. Was an diesem schrecklichen Krieg in der Ukraine liegt.

Welches Buch liegt derzeit ganz oben auf Ihrem Nachttisch und warum?
Ferdinand von Schirach: JEDER MENSCH. Weil es darin um (die Geschichte
der) Menschenrechte geht – gerade in Kriegszeiten eine sehr
hoffnungsvolle Lektüre.

Wie beeinflusst Ihre Arbeit mit bzw. für Kinder und Jugendliche Ihre Sicht auf die heutige Gesellschaft und unsere Welt?
Ich würde sagen, dass es genau umgekehrt ist: Meine Weltsicht und die Schlüsse, die ich aus meinen Beobachtungen so ziehe, beeinflussen meine Arbeit, also mein Schreiben. Klar, dass ich in meinen Texten meine Überzeugungen mitteilen möchte, möglichst vielschichtig und vor allem: immer mit viel Humor.

Was ist die treibende Kraft, auch weiterhin was mit Kinderbüchern zu machen?
Fabulierlust. Ich liebe es einfach, mir Geschichten auszudenken und sie zu erzählen. Allerdings hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Kreativität leider sehr krisenanfällig ist. Im ersten Corona-Lockdown bekam ich prompt eine Schreibblockade. Und nun, seit in der Ukraine Krieg herrscht, ist es wieder genauso. An Ideen mangelt es mir nie, aber in solch schwierigen Zeiten an der nötigen Energie, sie umzusetzen.

Wie begeistern Sie potenzielle Nichtleser für das Buch?

Indem ich sie auf meinen Veranstaltungen leidenschaftlich und mit viel Stimmeinsatz vorlese.

Was macht für Sie ein gutes Kinderbuch aus?

Spannung und Humor, mehrdimensionale Charaktere, die ruhig auch mal widersprüchlich handeln dürfen, ein schöner, flüssiger Erzählton, gute Dialoge, in denen man unterschiedliche SprecherInnen erkennt, und eine zweite Ebene, die auch Erwachsene anspricht.

Wie hat sich Ihre Arbeit mit fortschreitender Digitalisierung verändert?
Die Recherche ist so viel einfacher und angenehmer als früher in den Büchereien … Und man muss nicht dort sein, wo die Handlung spielt. Zum Beispiel saß ich in Portugal unter einem Eukalyptusbaum und sah mir über Google-Maps einen ganz bestimmten Straßenzug in Finnland an. Sehr praktisch.

Welche sozialen Netzwerke nutzen Sie und warum?

Gar keine. Ich halte es (für meine Art zu leben) für komplett unnötig, auf sozialen Netzwerken vertreten zu sein. Lieber schreibe ich Mails, telefoniere und treffe mich analog. Ich besitze auch kein Handy (und wundere mich darüber, wie viel Zeit Menschen investieren, social-media-accounts zu pflegen).

Mit welchem Kinderbuchmenschen sollten wir dieses Interview unbedingt mal führen?

Am besten mit denen, die SIE interessant finden!

 

Fragen aus der Kinderredaktion der Bücherkinder:

Matti und Sami und das
größte Stück vom Glück
Kinderbuch ab 9
von Salah Naoura
Beltz & Gelberg 2022

Woher kommen die Charaktere von Matti und Sami? Gibt es Vorbilder?
Matti und Sami sind natürlich ausgedacht, aber wie das bei Büchern ja oft ist, habe ich für diese Geschichte (besonders für den ersten Band) eine ganze Menge aus der Wirklichkeit geklaut. Matti bin ich selbst, und Sami ist mein kleiner Bruder, der in Wirklichkeit Rami heißt. Den Anfang des Buches haben wir beide damals als Kinder ganz genauso erlebt: Bei uns in der Nähe gab es einen Ententeich, und irgendwann lasen wir in der Zeitung, dass dort in diesem kleinen Teich ein Delfin vom Zoo ausgesetzt werden sollte. Wir wollten natürlich den Delfin sehen! Also gingen mein kleiner Bruder und ich zum Ententeich, wo schon sehr viele andere Menschen standen, die auf den Delfin warteten. Aber er kam leider nie, und später merkten wir, dass der Zeitungsartikel ein Aprilscherz gewesen war …

Wieso spielen diese Geschichten in Finnland?
Meine Eltern kommen aus zwei verschiedenen Ländern, mein Vater aus Syrien, meine Mutter aus Deutschland. Deswegen wollte ich, dass es in Mattis Familie genauso ist: zwei Länder. Aber es sollte auch nicht ganz genauso sein wie bei mir und meinem Bruder. Mein richtiger Vater ist sehr schweigsam, und irgendwann las ich etwas darüber, dass Männer in Finnland nicht so gerne reden … Deswegen wurde Mattis Vater ein Finne. Ich war noch nie in Finnland, habe aber sehr viel über Finnland gelesen. Alle finnischen Sätze in den Büchern habe ich auf Deutsch geschrieben und später einen echten Finnen gebeten, sie für mich zu übersetzen.

 


Webseite von Salah Naoura
Porträt: © Till Hülsemann / B & G

  1. Oh wie schön. Die Interviewreihe wird fortgesetzt.
    Steffi

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