Body Positivity – oder auch: Mit Kindern über Körper und das Anders-Sein reden

Saskia: Es ist ein neuer, begrüßenswerter Trend, endlich mal positiv auf den Körper zu schauen. Oder es zumindest zu üben. Nicht in den Spiegel zu gucken und die Schwachstellen aufzuzählen, sondern es mal mit Akzeptanz und – nächster Schritt – sogar Stolz zu probieren. Angesichts von Kindern, die in einer gephotoshopten Social Media Welt aufwachsen, kann es nicht schaden, ihnen diesen Weg schon recht früh anzubieten. Zwei Bücher, die ganz direkt auf das Thema eingehen, so wie ein drittes, das eher die Metapher sucht, habe ich mir genauer angeschaut: „Alle haben einen Po“ von Anna Fiske (Hanser), „Wie siehst du denn aus? Warum es normal nicht gibt“ von Sinja Eismann und Amelie Persson (Beltz&Gelberg) und „Peter, Kater auf zwei Beinen“ von Nadine Robert und Jean Jullien (mairisch).

Alle haben einen Po

Bilderbuch ab 4
von Anna Fiske
übersetzt von Ina Kronenberger
Hanser 2019

An „Alle haben einen Po“ hatte ich extrem hohe Erwartungen. Einfach weil ich den Titel schon so toll fand. Und dann die verschrobenen Illustrationen. Doch dann passierte, was so oft passiert, wenn die Vorfreude besonders groß ist: Irgendwie machte es nicht klick. Es ging schon damit los, dass es in diesem Buch „nur“ Männer und Frauen gibt. Was ist mit den Menschen, die sich diesem binären System nicht zugehörig fühlen? Klar, jetzt lässt sich argumentieren, dass das für Kinder ab 4 Jahren vielleicht ein bisschen komplex ist. Aber wer da nicht in die Tiefe gehen will, hätte zumindest offener formulieren können. Und vielleicht nicht nur Frauen lange Haare geben oder bei der Körperpflege vor allem Frauen abbilden. Außer beim Bart, weil den nur Männer haben…

Wie siehst du denn aus?
Warum es normal nicht gibt

Kinderbuch ab 10
von Sonja Eismann
illustriert von Amelie Persson
Beltz & Gelberg 2020

Da geht „Wie siehst du denn aus?“ ganz anders in die Vollen. Die Zielgruppe ist älter (ab 10 Jahre) und entsprechend ist mehr Text zu bieten. Ich denke aber, dass dank der vielen witzigen Illustrationen, die immer als Doppelseite auftreten und dann von einer weiteren Doppelseite einordnendem Text gefolgt werden, begleitet auch Jüngere hier schon einiges Mitnehmen können. Durch die vorangestellten Illustrationen können wir deren Vielfalt (Nase ohne Nasenhaare und mit, mit Mitessern, mit Piercing…) bestaunen, um auf der Folgeseite Details erklärt zu bekommen. Das Tolle: Sonja Eismann, Mitbegründerin und -herausgeberin des feministischen Missy Magazins, traut den Leser*innen zu, sich selbst Gedanken zu machen und hilft zugleich beim Hinterfragen. Warum finden wir zum Beispiel manche Sachen schön? Es gab zum Beispiel Kulturen, die die Monobraue, wie wir sie wohl vor allem von Frida Kahlo kennen, durchaus schätzten. Und überhaupt: Wozu haben wir eigentlich Augenbrauen? All das und noch viel mehr lernen wir hier (unter anderem eben auch, dass Frauen Bartwuchs haben können). Es gibt nicht nur Männer und Frauen, sondern vielerlei Facetten dazwischen. Es gibt Schönheitsideale für oder gegen die wir uns entscheiden können und es gibt eine riesengroße Wertschätzung für all dieses Bunte und Eigene. Unsere Körper: Ein Meisterwerk!

Peter – Kater auf zwei Beinen

Bilderbuch ab 3
von Nadine Robert
illustriert von Jean Jullien
übersetzt Daniel Beskos
mairisch verlag 2019

Ein völlig anderes Plädoyer für Diversität ist schließlich „Peter – Kater auf zwei Beinen“, das im Klappentext als „Eine ungewöhnliche Geschichte über das Anderssein“ beworben wird. Eines Tages taucht Kater Peter vor Phils Haustür auf und zieht ein. Peter läuft auf zwei Beinen – praktisch, dann kann er mit den Vorderpfoten mehr machen. Wie ungewöhnlich das ist, fällt Phil allerdings erst auf, als Phils Freundin Pam vorbei kommt und allerlei Fragen stellt. Zerkratzt Peter zum Beispiel die Tapeten? Nein, aber er kocht manchmal Tee. So wird der völlige Bruch mit Erwartungshaltung und Rollenbild textlich deutlich, vor allem aber durch die wunderbaren Illustrationen von Jean Jullien. Ganz reduziert sehen wir da zum Beispiel, wie Peter mit dem Schwanz die Teetasse zum Mund führt und allerfeinst mit gespitztem Mäulchen ein wenig schlürft, das eine Auge groß in unsere Richtung starrend. Oder wie er über Kopf ins Bild hängt und eine Kaugummiblase bläst. Wer sich da nicht in Peter verliebt, tja, dem ist wohl nicht zu helfen…

Anders-Sein ist immer wieder ein Thema im Kinderbuch. „Peter, Kater auf zwei Beinen“ wählt da den eher klassischen Ansatz und ist grundsympathisch und absolut empfehlenswert. Die beiden anderen Bücher dagegen beschäftigen sich direkt mit menschlichen Körpern und ihrer Vielfältigkeit. Und ich wünsche, „Wie siehst du denn aus?“ würde schon bald zur Grundausstattung von Kinderbuchregalen gehören!

Saskia Geisler aus der Bilderbuchredaktion

Saskia Geisler ist riesiger Kinder- und Jugendbuchfan. Wenn sie gerade nicht schmökert oder mit ihrem Hund unterwegs ist, schreibt sie ihre Doktorarbeit im Fach Geschichte. – Darum blogt sie unter lies-geschichte.de auch über historische Themen in Kinder- und Jugendbüchern. Seit Ende 2014 ist sie bei buecherkinder.de dabei.
Beiträge von Saskia

Beitragsbild: Saskia Geisler
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