Auf der Suche

Leyla (13) empfiehlt drei Bücher für Leute, die gern über die Selbstfindung anderer lesen, oder selbst noch ihren Platz in der Welt suchen.

Leyla (13): In allen drei Büchern sind die Protagonisten junge Erwachsene, aber irgendwie auch immer noch Jugendliche. Dieses Alter ist eine Zeit der Selbstfindung und das machen auch die Hauptdarsteller durch. Egal ob Alice in „Hinter Glas“, Simon in  „Dieser wilde Ozean, den wir Leben nennen“, oder Stella in „Drei Schritte zu dir“- jedem von ihnen fehlt etwas im Leben, was sie im Laufe der Geschichten finden wollen.

Hinter Glas

Jugendbuch ab 14
von Julya Rabinowich
Hanser 2019

In dem Buch „Hinter Glas“ von Julya Rabinowich spielen Spiegel eine wichtige Rolle. Ein Spiegel gibt nicht nur ein Ebenbild wieder, sondern verbirgt auch symbolisch eine andere Welt. Diese andere Welt ist von Gewalt und Unterdrückung geprägt. Die Anspielung auf Spiegel und an „Alice im Wunderland“ ist durchgängig zu erkennen: Der Name der Erzählerin, die gleiche Überschrift der einzelnen nummerierten Kapitel („Spiegelscherbe“), die kurze Vorstellung der Hauptfigur am Anfang des Buches. Alle haben einen Bezug zum bekannten Buch von Lewis Carrol, wie zum Beispiel die Kapitel-Unterschrift „Folge dem weißen Kaninchen“. Auch das Cover ist in diesem Sinn gestaltet: Der Schriftzug des Titels „Hinter Glas“ sind wie Scherben dargestellt.

So fängt die Geschichte an. Die Hauptfigur, Alice, stöbert auf einem Flohmarkt. Ahnungslos und gelassen trifft sie auf eine Person die ihr Leben verändert. In dem Moment in der Alice das Gesicht der Person vor ihr erkennt, fällt ihr der Spiegel, den sie soeben erworben hatte, auf die Straße. Dieser Moment ist ein Schlussstrich für sie und der Versuch, die Scherbenstücke ihres Lebens zu ordnen.

Alice, keine 18 Jahre alt, lebt in einer prunkvollen Villa mit einem hübschen Garten. Ihre Eltern, die in gepflegten Kreisen großzügige Spenden geben und gesellschaftlich bestens vernetzt sind, haben wenig Verständnis für die einzige Tochter, die immer zu krank ist und der Schule fern bleibt. Ihre Beziehung ist distanziert und von Sorgen geprägt. Der große Schatten des Großvaters ist präsent und bestimmend. Alice fühlt sich einsam und in die Ecke gedrängt. Der Draht zu den Eltern ist so brüchig, dass sie nicht mal mitkriegen, dass Alice seit dem letzten Sommer in ihrer Klasse gemobbt wird. Es werden Witze auf ihre Kosten gerissen, ihre Tasche beiläufig vom Tisch gefegt oder vom Fenster rausgeworfen, Beine gestellt und nach Alices Haaren gegriffen. Für Rosa, Max, Sofie, Paul und Anna ist Alice „Queen Bazilla“ und das bekommt sie immer wieder auf miese Art zu spüren. Eines Tages kommt Niko in die Klasse, braungebrannt und cool, von einer Weltreise, wie er behauptet. Als die fünf dann Alice beim Lesen auf dem Rasen umzingeln und blöd anmachen, ist Niko plötzlich da. Er stellt sich hinter Alice und löst die Gruppe auf. Es ist eine Niederlage für die Mobber und ein Bann ist gebrochen …

Die Geschichte wird in Ich-Form erzählt und die Sätze sind kurz und wirken sehr persönlich. Sie stellt eine kluge, ruhige, zögerliche Person dar, die ihr Erlebtes überzeugend erzählt. Alice ist zynisch und bitter über die Wendung in ihrer Beziehung mit Niko und ihren Eltern, versucht aber sachlich zu bleiben, um vielleicht auch selber zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Es wirkt wie ein Selbstgespräch,  das das Erlebte in ein klares Licht rücken soll. Als Leser habe ich das Gefühl, in dieser Heilungsphase mithören/mitlesen zu dürfen. Es hat mich sehr berührt.

Die Geschichte ist gegenwärtig, persönlich und emotional aufwühlend. Gebannt und auch fassungslos habe ich das Buch in kurzer Zeit gelesen. Ich empfehle es sehr gerne mit 5 Sternen an alle Geschlechter ab 14.

Dieser wilde Ozean, den wir Leben nennen

Jugendbuch ab 14
von Elisabeth Steinkellner
Beltz & Gelberg 2018

„Dieser wilder Ozean den wir Leben nennen“ von Elisabeth Steinkellner stellt zunächst Simon vor. Er ist fast siebzehn, war noch nie am Meer, war nie tauchen, und doch kann er sich lebhaft vorstellen, dass in der Tiefe Geräusche nicht im Ohr sondern ganz tief im Kopf sind. Der Film in seinem Kopf läuft anders und wenn alle um ihn herum reden bleibt er außen vor als würde er ihre Sprache gar nicht sprechen. Es interessiert ihn nicht, welche Noten er auf seinem Zeugnis bekommen hat. Mit seinen Eltern ist er sich nicht besonders nah.

Simon macht eine Bekanntschaft im Zug mit einem Paulus und möchte ihn wiederfinden. Er denkt, dass dieses Wiederfinden passiert, wenn eine fremde Frau im grauen Mantel sich innerhalb von zwanzig Sekunden umdreht und eine Brille trägt. Es läuft viel in Simons Kopf herum, kreist sich um die Bekanntschaft und ist weit von der Realität.

Die Geschichte ist in kurze Kapitel gefasst mit rechtsbündigen Überschriften wie bohnenbraun, katzengrau, glutorange, duschgelgrün, scharmrot, segelflossengelb oder kaffeschwarz. Die Farben spielen eine wichtige Rolle und sie sind sehr von der Wortwahl sehr lebendig. Sie gehören der Erzählung von Simon.

Antonias Kapitel haben linksbündige Überschriften wie Tränen, Poseidon, Gertenschlauchdusche, Schwanenbiss, Ozean oder Spucke. In Antonias Erzählung ist sie gemein zu ihrer Mutter. Ihrem Vater ist sie nicht nah. Seitdem ihr Bruder Joel verschwunden ist, ist ihr Leben aus dem Ruder geraten. Als Antonia eines Abends einen Jungen sieht, der Joel zum Verwechseln ähnlich sieht, kommt sie aus ihrem eintönigen Leben heraus. Dieser Junge ist Simon, der in Antonias Kleinstadt Paulus sucht. Sie möchte wissen, wer er ist und spendiert ihm eine vierzehn Euro teure Frutti di Mare Pizza von ihrem Zeugnisgeld. Die Begegnung verwandelt sich in etwas Besonderes für beide.

Das Cover ist tiefblau. Sonnenstrahlen erhellen leicht die Tiefe des Meeres. Mehrere Quallen schwimmen umher und es hat etwas Mysteriöses und zieht den Leser an. Der Titel des Buches ist über die ganze Seite verteilt. Auf der Rückseite ist eine Zusammenfassung zu lesen und einige englische Zeilen darunter. „C´mon, baby, leave your keys, close the door and open the zipper oft he sea“. Das fand ich nicht nötig und eigentlich auch nicht wirklich wichtig.

„Dieser wilder Ozean den wir Leben nennen“ hat mir sehr gut gefallen, weil den Figuren etwas fehlt und sie damit zurechtkommen müssen. Die Entwicklung der Charaktere ist sehr schön zu lesen und hält durchgehend neugierig. 4 Sterne.

Drei Schritte zu dir

Jugendbuch ab 14
von Rachael Lippincott, Mikki Daughtry, Tobias Iaconis
übersetzt von Nina Frey
dtv 2019

In dem Buch „Drei Schritte zu dir“ geht es um die 17-jährige Stella, welche unter Mukoviszidose, kurz Muko, leidet und seit ihrem sechsten Lebensjahr auf Krankenhäuser, Medikamente und Therapien angewiesen ist. Bei Muko handelt es sich um eine Lungenkrankheit, bei welcher die Lungenfunktion unter den gesunden Prozentwerten liegt. Oft hilft nur eine neue Lunge, auf die auch Stella hofft, bis ihr dann auch noch weitere Sorgen aufkommen: Will. Er kam neu in ihr vertrautes Krankenhaus und stellte Stellas Leben auf den Kopf. Während sie ums Überleben kämpft, möchte er los von all den Schläuchen und Abläufen – er möchte die Welt sehen. Die beiden kommen sich langsam näher müssen aber auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen immer zwei Meter Abstand von einander halten. Will leidet nicht nur wie Stella unter Mukoviszidose, sondern auch noch unter Burkholderia cepacia . Das schließt für Will die Chancen auf eine neue Lunge, aber auch den Kontakt zu Stella aus: Sollte er sie nur anhusten so könnte sie sterben. Auf wen werden sie hören die Ärzte oder ihren Herzen?

Die Geschichte ist aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Charaktere sehr spannend und wirklich interessant. Beim Lesen habe ich oft gemerkt, wie leicht ich es doch eigentlich habe. Das Buch ist auch sehr lehrreich und klärt über eher unbekanntere Krankheiten auf. In der Schule habe ich beispielsweise immer gelernt, dass Lungentransplantationen nicht möglich seien, was sich aber mit Hilfe des Buches als fehlerhaft herausstellte. Immer wieder habe ich mich gefühlt, als ob ich die Geschichte selbst miterleben würde, was durch die Jugendsprache der Hauptfiguren und alltäglichen Marken wie Converse oder das benutzen von Social media, wie Instagram oder Youtube, noch einfacher wurde.

Das Buch hat 29 Kapitel und wird abwechselnd aus Stellas oder Wills Perspektive erzählt. Das finde ich wirklich gut, da Romanzen eher selten aus der Perspektive des Jungen geschrieben werden und weil man als Leser beide Sichten auf ein Geschehen bekommt. Somit wird klar, warum eine Person so handelt, wie sie es tut und nachvollziehbar. Viele Sätze beginnen mit „ich“ was die Perspektiven deutlich macht und ein Tagebuch-Feeling rüberbringt.
WhatsApp Nachrichten sind in einer anderen Schriftart geschrieben, welche außerdem etwas dicker gedruckt ist. Manche Worte werden auch schräg oder in Großbuchstaben gedruckt, welches dem Satz Betonung verleiht. Dadurch und mit Hilfe der lebendigen Sprache, welche durch viele Adjektive immer ein Bild vor Augen schafft, wird das Lesen nie langweilig.
Da die Handlung überwiegend in einem Krankenhaus spielt, waren mir manche Begriffe fremd. Größtenteils konnte ich mir diese aber mithilfe des Kontexts erschließen.

Ich habe das Buch in zwei Tagen durchgelesen und kann es als das beste Buch, welches ich je gelesen habe, bezeichnen. Auch hatte ich geplant den Film zu gucken, nur finde ich das Buch zu gut und möchte mir meine positiven Erinnerungen an die Geschichte nicht verderben. Es ist ein Buch, welches man bei sich im Bücherregal braucht und ich empfehle es für alle Geschlechter ab 13.  Keine Frage 5 Sterne und ein Keks! 😉

Leyla Abay (13) aus der Kinder- und Jugendredaktion

Abschließend kann ich diese Bücher für die Leute empfehlen, die gern über die Selbstfindung anderer lesen, oder selbst noch ihren Platz in der Welt suchen.

Leyla ist 13 Jahre alt und seit fast 3 Jahren ein Bücherkind. Neben Büchern und Hörbüchern hat sie auch Kinderfilme für die Cinepänz in Köln rezensiert. Sie liest gerne Mangas über alle Genre hinweg. Zeichnen, Handlettering und Rollschuhfahren gehören auch zu ihren Hobbies.
Beiträge von Leyla

 

Titelbild des Beitrags von Pexels auf Pixabay
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